Individuell, selbstbestimmt, dezentral – die Digitalisierung verändert das Gesundheitswesen. Voraussetzung sind miniaturisierte Sensoren.

Das Leben als Patient wird sich in zehn Jahren deutlich von dem heute unterscheiden. Smartphones und Wearables werden nicht mehr nur Fotos aufnehmen und Nachrichten versenden. Sie werden uns dabei helfen, gesund zu bleiben.

Ob Wearables, digitale Schnelltests oder Smartphones mit Zusatzfunktionen – die Digitalisierung ist dabei, den Gesundheitsbereich grundlegend zu verändern. Und damit die Gesundheitsversorgung jedes Einzelnen: Sie wird künftig individueller, selbstbestimmter und ortsunabhängig erfolgen. Damit können nicht nur ansteckende Krankheiten besser gemanagt, lebensbedrohliche Krankheiten früher erkannt und chronische Erkrankungen einfacher überwacht werden. Algorithmen können uns rechtzeitig warnen, sollten wir kritische Werte erreichen. Und künstliche Intelligenz kann, über medizinische Clouds verbunden, die ärztlichen Entscheidungen unterstützen – auch für Menschen die fernab medizinischer Zentren leben.

Möglich machen diese Entwicklungen die zunehmend kleiner und intelligenter werdenden Sensoren. Digital verarbeitetes Licht, das Haut und Gewebe bis auf die Blutgefäße durchleuchten kann, eröffnet uns völlig neue Möglichkeiten. Angetrieben von zunehmender Digitalisierung und einer rasanten Weiterentwicklung von Deep Learning werden wir so unterschiedlichste Gesundheitsparameter rund um die Uhr von zu Hause beobachten können.

 

Neue Wege in der Diagnose

Noch stecken diese Entwicklungen in den Anfängen, doch die Covid-Pandemie hat ihnen nochmals Auftrieb geben. „Wir haben schon lange vor Covid-19 an digitalen Gesundheitslösungen am Point of Need gearbeitet“, erzählt Alexander Volk, einer der Wegbereiter für Connected Health Lösungen bei ams OSRAM. „Begonnen hatten wir mit der Entwicklung von Spektroskopie-Lösungen für die Analyse von Medikamenten und Lebensmitteln und zur Bestimmung von Hautparametern wie Feuchtigkeit. Unser neuestes Produkt, der Covid-19 Lateral Flow Schnelltest auf Sensorbasis, ist erst der Anfang digitaler Gesundheitswerkzeuge.“

Bei diesem „Flusstest“ wird die zu untersuchende Probe auf ein Testkit getropft. Eine biochemische Reaktion zwischen Antikörper und nachzuweisendem Molekül führt zu einer Farbreaktion. Ein Spektralsensor in Kombination mit einem Lichtemitter kann die Farben oder das Fluoreszenzverhalten erkennen. Der Sensor ist mit einem Bluetooth-fähigen Mikrocontroller verbunden über den die Werte ausgelesen und an ein Smartphone übertragen werden können. Damit ist das Ergebnis direkt in einer medizinisch zertifizierten Cloud-Umgebung verfügbar.

Doch es geht nicht nur um Viren. Auch bei der zeitlichen Kontrolle des Eisprungs oder des Vitaminstatus sind schnelle, präzise Tests gefragt. Letzteres ist insbesondere wichtig für Menschen, die regelmäßig Medikamente einnehmen. Für die Bestimmung von Krankheiten, für die ungern ein Arzt aufgesucht wird, wären Tests, die unkompliziert von zu Hause aus durchgeführt werden können, ebenfalls eine echte Erleichterung. Ein Grund für das Team um Alexander Volk, an sensitiven Schnelltests für unterschiedliche Parameter zu arbeiten, die mehrfach verwendbar sind.

Licht, das unter die Haut geht

Wearables zur Messung bestimmter Vitalfunktionen sind ein weiterer Eckpfeiler digitaler Gesundheitsbeobachtung. Was in den 2010er Jahren mit Fitnessanwendungen begann, ist heute wesentlich präziser und aussagekräftiger. Für die Puls- und Sauerstoffüberwachung durchleuchten Leuchtdioden Haut und Gewebe. Der Absorptionsgrad des Hämoglobins wird über einen Sensor erfasst und ausgewertet. „Durch die Kombination unseres Know-hows in der Erzeugung und Erfassung von Licht können wir den Grad an Genauigkeit laufend steigern. Zusammen arbeiten wir an optischen Systemen aus einer Hand und können die einzelnen Komponenten optimal aufeinander abstimmen“, stellt Volk die Möglichkeiten im neuen Gemeinschaftsunternehmen ams OSRAM heraus.

 

Gesundschrumpfen 

Doch um mobile, kostengünstige und einfach handhabbare Lösungen für bisher in Laboren und Arztpraxen erbrachten Leistungen zu bieten, ist noch die eine oder andere technische Herausforderungen zu bewältigen. Vor allem braucht es deutlich kleinere Module. Komplexe Systeme aus Lichtemitter, dem zugehörigen Detektor und der verbindenden Optik müssen auf wenigen Kubikmillimetern Platz finden.

Die Entwickler von ams OSRAM arbeiten intensiv an entsprechenden Lösungen. Etwa zur Erfassung von Parametern wie Glukose, Laktat, Cholesterol oder Urea. Eine dafür besonders vielversprechende Technologie ist die Molekular-Spektroskopie – die es nun zu miniaturisieren gilt. Mit dieser wird der spektrale Fingerabdruck von Molekülen gemessen. Die Wechselwirkung von Licht mit Materie gibt Einblick in die Eigenschaften einer Probe. Dafür wird diese mit einem Laser bestrahlt und das Spektrum des an der Probe gestreuten Lichts gemessen. Ein sehr kleiner Teil des zurückgestrahlten Lichts weist Intensitäts- oder Frequenzunterschiede zum eingestrahlten Licht auf und gibt so Auskunft über die untersuchte Substanz.

 

 

Bisher stehen derartige Spektrometer in Laboren und arbeiten mit sehr empfindlichen, meist gekühlten Fotodetektoren mit Halbleiter-Bildsensor-CCD Kameras. Selbst die tragbaren Versionen, die aktuell zum Beispiel in der Forensik eingesetzt werden, sind zu groß für eine Integration in ein Mobiltelefon oder ein Wearable.

Gemeinsam mit der Johns Hopkins Universität in den USA arbeitet ams OSRAM jetzt an einer mobil einsetzbaren Lösung. Die Universität liefert das medizinische Modell und unterstützt bei Laboraufbauten, das Unternehmen arbeitet an einer alltagstauglichen Miniaturisierung der Technologie.

„Das gesamte System muss ohne Kühlung, mit minimalem Energieverbrauch, und nur mit einem Bruchteil der Pixelanzahl in Mini-Chipgröße funktionieren“, beschreibt Volk die enorme technische Herausforderung. Die Signale, die das System aus dem Körper oder aus der Probe erhält, sind sehr klein und müssen rauschfrei verstärkt werden. Zudem braucht es eine Lichtquelle, die die Intensität des Lichts gleichmäßig über einen längeren Zeitraum sicherstellen kann. Eine weitere Herausforderung stellt die Integration der präzisen Optomechanik in den Mini-Chip dar, die nur für Licht einer speziellen definierten Wellenlänge durchlässig sein darf.

Keine leichten Aufgaben. Doch werden Miniaturisierung und Integration gelöst, ist der Weg frei für mobile und alltagstaugliche Gesundheitsbeobachtung. Und damit für völlig neue medizinische Erkenntnisse und Behandlungsmöglichkeiten.