Die Corona-Pandemie verleiht der Entwicklung neuer Desinfektionslösungen aktuell Rückenwind. UV-C-Licht aus LEDs gilt hier als besonders vielversprechend – und herausfordernd.

„Schon unter 'normalen' Bedingungen hat es uns an Anwendungsfeldern nicht gemangelt. Das Corona-Virus verhilft der Desinfektion mittels UV-C-Strahlung nun aber zu einer neuen Dimension. Die ganze Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten wird uns jetzt täglich vor Augen geführt“, beginnt Alexander Wilm, Applikationsingenieur bei OSRAM Opto Semiconductors in Regensburg, das Gespräch. Er arbeitet dort gemeinsam mit dem Entwicklungsingenieur Hans Lugauer an der Entwicklung massentauglicher UV-C LEDs.

 

Wunschprodukt „Keimtöter to go“

Zwar werden bereits heute mit kurzwelligen Niederdruck- Entladungslampen Wasser, Luft oder Oberflächen entkeimt und desinfiziert. Doch die Zukunft der Desinfektion mittels UV-C-Strahlung liegt laut Lugauer bei LEDs: „Sie sind viel flexibler und kleiner als herkömmliche Lösungen. Sie halten häufigem Ein- und Ausschalten stand und sind vibrationsresistent.“ Damit sind ganz neue Anwendungen wie mobile Desinfektionsgeräte für die Jackentasche möglich. „Nennen wir sie ‚Keimtöter to go‘“, fährt Lugauer fort und meint damit Produkte, die sich heute jeder wünschen würde. Dass es diese Anwendung noch nicht gibt, hat Gründe: „Neben der Effizienz ist die Sicherheit die größte Herausforderung – denn die UV-C-Strahlung darf keine Gefahr für Haut oder Augen darstellen“, erklärt sein Kollege Wilm und führt weiter aus: „Dies gilt für alle UV-C Produkte, da sie für Mensch und Umwelt nicht ungefährlich sind.“ Deshalb tragen Mitarbeiter, deren Schutzkleidung mit UV-C Licht desinfiziert werden soll, Gesichtsmasken und Handschuhe, die kein UV-C durchlassen. Spezielle Roboter, die durch Räume fahren und Oberflächen mit UV-C bestrahlen, haben Sensoren und schalten sich sofort ab, wenn ein Mensch in ihre Nähe kommt.

Keimfreie Taxis und Busse

Grundsätzlich machen UV-C-LEDs überall dort Sinn, wo Quecksilberlampen Nachteile haben: Wenn Bauraum knapp, Vibrationen und Erschütterungen möglich oder hohe Zündspannungen nicht akzeptabel sind. Insbesondere muss verhindert werden, dass die Lampen brechen und entweichendes Quecksilber zu einer Gefahr für den Menschen wird. „UV-C LEDs können für unterschiedliche Anwendungen eingesetzt werden, zum Beispiel zur Desinfektion von Oberflächen in Taxis, Bussen oder beim Carsharing. Ich bin überzeugt, sobald UV-C LEDs eine verbesserte Leistung aufweisen und ihre Kosten weiter gesunken sind, eröffnen sich weitere spannende Applikationen, die wir heute noch gar nicht alle sehen“, gibt Wilm einen Ausblick.

Erbinformation unter Beschuss

Doch was macht UV-Licht so erfolgreich im Kampf gegen Keime? Ein zentraler Grund für die Wirksamkeit der UV-C-Lösung besteht darin, dass es auf der Erdoberfläche keine natürliche UV-C-Strahlung gibt. Sie wird fast gänzlich von der Ozonschicht der Erde absorbiert und damit zurückgehalten. Bakterien und Viren haben deshalb keine Abwehrmechanismen dagegen entwickelt.   

Die kurzwellige UV-C-Strahlung (200 bis 280 Nanometer) ist der energiereichste Teil der UV-Strahlung. Licht mit einer Wellenlänge unterhalb von 280 Nanometer bewirkt bei Mikroorganismen, dass die chemischen Bindungen in der RNA oder DNA-Helix aufbrechen. Dadurch wird die Erbinformation quasi zerschossen. In der Folge ist der Virus oder das Bakterium nicht mehr infektiös, d. h. nicht mehr in der Lage, sich zu vermehren. Der „Killfaktor“ der UV-C-Strahlung, die dafür nötige Dosis, unterscheidet sich je nach Mikroorganismus. Das Maximum der Entkeimungswirkung wird bei etwa 265 Nanometern angenommen. Lugauer erklärt, worauf es ankommt: „Da die Effizienz der UV-C-LED mit sinkender Wellenlänge abnimmt, optimieren wir die LED Wellenlänge einerseits, um eine hohe Wirksamkeit zu erhalten. Andererseits achten wir auf eine vernünftige Energieeffizienz, um gleichzeitig viel wirksame Strahlung erzeugen zu können.“   

 

Neue Materialien gesucht

Das Innovative der UV-C LED liegt im verwendeten Materialiensystem. UV-C-LEDs bestehen aus Aluminiumgalliumnitrid (AlGaN). Aus chemischer Sicht hat es eine große Ähnlichkeit mit dem bekannteren Indiumgalliumnitrid (InGaN), das in blauen und grünen LEDs zum Einsatz kommt. Daher sind fast alle Fertigungsschritte der Chipherstellung anwendbar – lediglich der Epitaxieprozess – also dem Wachstum dünner Kristallschichten – ist ein grundlegend anderer. Um AlGaN-Halbleiterkristalle in der Epitaxie herzustellen, sind sehr viel höhere Temperaturen von bis zu 1400° Celsius notwendig.

Hinzu kommen neue Prozesse, die nur in speziell dafür ausgelegten Epitaxie-Anlagen durchgeführt werden können. Für die LED-Gehäuse sind zudem spezielle Vergussmaterialien erforderlich, die die Lichtauskopplung aus dem Chip erhöhen. Das in konventionellen LEDs dafür üblicherweise verwendete Silikon würde sich bei Bestrahlung mit den energiereichen UV-C-Photonen sehr schnell zersetzen. Es müssen also neue Materialien gefunden und getestet werden, die sowohl stabil als auch transparent genug für UV-C-Licht sind – kein einfaches Unterfangen. Auch für die Optik wird spezielles Quarzglas benötigt, da nur dieses für UV-C-durchlässig ist.

 
In Zukunft besser gewappnet

„Sobald diese grundlegenden Herstellungsprozesse und Materialfragen geklärt sind, müssen wir die Themen Effizienz und Zuverlässigkeit anpacken. Dabei ist noch einiges an Entwicklungsarbeit gefordert, um UV-C-LEDs in hoher Qualität wirtschaftlich produzieren zu können. Man kann den aktuellen Status ganz gut mit der Situation der Allgemeinbeleuchtungs-LED vor rund zehn Jahren vergleichen. Damals waren LEDs noch zu ineffizient und teuer. Das hat sich grundlegend geändert – und wird sich auch für die UV-C-LED ändern“, ist sich Lugauer sicher. Für den zukünftigen Kampf gegen Keime sind das gute Nachrichten.