Immer mehr Länder setzen auf die medizinische Wirkung von Cannabis. Das richtige Licht sorgt für die exakten Inhaltsstoffe.

Eine hell erleuchtete Halle bei Cleveland, Ohio. Zu Tausenden stehen sie hier mit ihren charakteristischen spitzen, gesägten Blättern: zarte Setzlinge in Hochregalen, ebenso wie fast mannshohe Cannabispflanzen in voller Blüte. 2016 gegründet, hat sich „Buckeye Relief“ ganz dem Anbau von medizinischem Cannabis verschrieben.


Eine Branche im Rausch

Buckeye steht für eine Entwicklung, die Nordamerika nach der Legalisierung von Cannabis in Kanada und vielen Bundesstaaten der USA erfasst hat. Lange verboten, erfahren Erforschung und Anbau der Hanfpflanze hier einen regelrechten Boom: An die 200.000 Vollzeitbeschäftigte arbeiten in den USA inzwischen in dieser Industrie. Zum Vergleich: Das entspricht in etwa der Zahl aller Taxifahrer und Chauffeure im Land.

Dabei ist die medizinische Wirkung der Cannabisblüten seit Langem bekannt. „Die Chinesen nutzten Cannabis schon vor Jahrtausenden als Grundlage für Arzneimittel“, sagt Jeremy Shechter, technischer Direktor für den Anbau bei Buckeye. Der studierte Agraringenieur kümmert sich um die Umweltfaktoren wie Bewässerung, Licht und Düngung. „Heute erkennen immer mehr Ärzte und Wissenschaftler das enorme medizinische Potenzial der Pflanze.“ Der Bestandteil Cannabidiol (CBD) wirkt krampf- und angstlösend und lindert Schmerzen, etwa bei Krebspatienten. Heilsam ist auch der Stoff Tetrahydrocannabinol (THC), ab einer gewissen Konzentration wirkt er jedoch auch psychoaktiv und macht „high“.


Doch das sind nur die prominentesten Wirkstoffe der Pflanze. Hinzu kommen viele weitere Cannabinoide sowie Terpene. „Aktuell sind über 600 Cannabisarten bekannt. Jede einzelne produziert Hunderte Pflanzenwirkstoffe in unterschiedlicher Zusammensetzung. In der Anreicherung und Kombination dieser Wirkstoffe liegt der Schlüssel zur Behandlung unterschiedlichster Krankheiten“, sagt Shechter.


Faktor Licht

Und dabei spielt Licht die entscheidende Rolle. Mit ihm lassen sich Konzentration und Zusammensetzung der Wirkstoffe in der Pflanze gezielt steuern. „Pflanzen benötigen ein dynamisches Umfeld, um Wachstum und Entwicklung zu optimieren“, sagt Shechter. Dementsprechend kommen je nach Wachstumsphase unterschiedliche Leuchtentypen und Lichtszenarien zum Einsatz. „Wir beobachten die unterschiedlichen Wachstums­ausprägungen in Verbindung mit dem CO2, das die Pflanzen aufnehmen. Darüber erhalten wir Rückschlüsse, wie die Pflanzen das Licht verarbeiten.“

 


Dabei vertraut er auf Lichttechnik und Know-how der US-amerikanischen OSRAM-Tochter Fluence Bioengineering. Sie ist der führende Anbieter von LED-Lichttechnologie für den Cannabisanbau in Nordamerika. Gerade bei der Kultivierung von medizinischem Cannabis bietet sie ihren Kunden viel Erfahrung und ein ausgefeiltes Portfolio an spezieller Lichttechnologie. „Unsere Vollspektrum-LED bieten den Kunden nicht nur Energieeinsparungen von bis zu 40 Prozent im Vergleich zu traditionellen Entladungslampen. Durch ihre veränderbaren Wellenlängen lassen sich zudem Wachstum und Wirkstoffanteil der Pflanzen verlässlich steuern“, sagt Fluence-Manager Timo Bongartz. Und die Nachfrage wächst: Aktuell expandiert das Unternehmen aus Texas nach Europa und Asien. 


Pflanzen- und Datenqualität

Für Buckeye ist das Qualitätslicht essenziell. Denn der Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken unterliegt strengen arzneimittelrechtlichen Vorgaben. „Für eine hochwertige wie konsistente Produktqualität erforschen, kontrollieren und optimieren wir ständig die Bedingungen“, sagt Shechter. „Wir haben eigene Qualitätslabore. Jede Tranche muss staatlich geprüft und zertifiziert werden.“ Das garantiert den Patienten eine durchgängig pharmazeutische Qualität.


„Im Moment sind wir dabei, so viele Daten wie möglich zu sammeln. Über das Wachstum, die Ernte, den Cannabinoid-Anteil“, so Shechter. Mit 100 Cannabissorten und 10.000 Pflanzen ist man seinerzeit bei Buckeye gestartet, jede mit eigenen genetischen Ausprägungen. „Daraus filtern wir die erfolgreichen Pflanzen heraus. Wir sind jetzt bei etwa 150 Phänotypen und 38 Sorten – und wollen das noch näher eingrenzen.“


In neuem Licht

Wie aber steht es mit dem anrüchigen Image, das dem Cannabisanbau durch den Freizeitkonsum von Marihuana immer noch anhaftet? „In den letzten Jahren hat das Stigma stark abgenommen“, berichtet Shechter. „Gerade die medizinischen Erfolge haben die Menschen neugierig gemacht. Der Großvater meiner Frau litt an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Medizinisches Cannabis half ihm mit den Schmerzen. Viele erleben aus eigener Anschauung – bei Familie und Freunden – die therapeutischen Eigenschaften von Cannabis. Das rückt den Anbau in ein neues Licht.“


Auch für Bongartz ist die mit einer Krebserkrankung in der Familie verbundene positive Therapieerfahrung persönlicher Antrieb. Das in vielen Teilen der Welt noch bestehende Forschungsverbot zu Cannabis sieht er daher kritisch. „Ich freue mich, wenn wir mit unseren Lichttechnologien zur Forschung und Produktoptimierung beitragen. Ob Krebs, Parkinson oder Multiple Sklerose – die Forschung entdeckt gerade das unglaubliche Potenzial dieser Pflanze. Und ich bin mir sicher: Wir werden in den nächsten Jahren noch viele weitere medizinische Anwendungen erleben.“