Quantencomputer wären eine Revolution. Ein vielversprechender Realisierungsansatz sind Ionenfallen. Doch wie kann man mit gefangenen Ionen rechnen? Und welche Rolle spielt Licht dabei?

Null und Eins zur gleichen Zeit

Computer der Zukunft kennt mehr Zustände als Null und Eins: Er kennt beide gleichzeitig. Dies ist fern unserer Alltagserfahrung, aber Quantencomputer funktionieren eben jenseits klassischer Physik.  

 

Gibt es für ein Problem viele Lösungswege, muss der klassische Rechner diese nacheinander rechnen. Anders ein Quantencomputer. „Er führt Rechenvorgänge parallel durch. Ein enormer Vorteil überall dort, wo keine Schwarz-Weiß-Analyse möglich ist“, sagt Hubert Halbritter, Entwicklungsingenieur für neue Chiptechnologien bei der ams-OSRAM Gruppe. „Das sind vor allem komplexe Fragen mit Zeitkomponente, wie Logistikvorgänge, Wettervorhersagen oder vielschichtige Produktions­verfahren und, besonders wichtig, Verschlüsselungs­algorithmen.“ 

 

Obwohl die Prinzipien der Quantenmechanik seit den 1920er-Jahren bekannt sind und Alltagsanwendungen wie Mobiltelefone oder moderne medizinische Diagnostik darauf beruhen, ist die Entwicklung von Quantencomputern noch visionär. „Ohne Quantenphysik funktioniert keine LED und auch kein Halbleiter-Laser“, erklärt Halbritter. „Doch jetzt geht es um die Quantentechnologie der zweiten Generation. Einen Rechner zu entwickeln, der ausgewählte Aufgaben Millionen Mal schneller lösen kann als klassische Rechner und vor allem bisher undenkbare Dinge rechnen kann.“  

 

  

Deshalb wird weltweit von Unternehmen wie Google, Microsoft und zahlreichen Universitäten an Quantencomputing geforscht. Auch in Europa. Denn die Hoheit über diese Technologie, welche die Grundlage für sichereInformationsübertragung und künstliche Intelligenz ist, will man nicht allein anderen überlassen. Die TU Braunschweig bündelt dafür die Expertise von mehr als 400 Wissenschaftlern im Forschungsverbund QVLS. Mit im Team langjährige Forschungspartner wie OSRAM Opto Semiconductors, um die Brücke zwischen Grundlagenforschung und Anwendungen sicherzustellen.  

 

Rechnen mit Ionen

Es führen mehrere Wege – oder besser Marathonstrecken – zum Ziel. Einer davon ist, Atome in sogenannte Ionenfallen einzusperren. Dafür fangen Laser und Präzisionsoptiken einzelne geladene Atome, also Ionen, in Vakuumkammern ein. Jedes dieser Ionen ist ein Qubit, ein rechenfähiges Quanten-Bit. Durch präzise Laserpulse werden sie mit Information geladen und in einen definierten Zustand gebracht. Damit Qubits wissen, was sie berechnen sollen, werden Befehle über verschiedene Stufen mittels gezielter Laserpulse an die Ionen-Qubits übersetzt.Damit lassen sich zwei oder mehr Ionen in der Falle so präparieren, dass sie miteinander verschränkte Quantenbits bilden. Mit diesen sind Grundoperationen der Quanteninformationstechnik durchführbar.  

 

 


„Als wolle man mit einem Laserpointer über hunderte von Metern ein einzelnes Haar treffen.“

Dieser Ansatz hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Technologien: „Lasergesteuerte Ionenfallen können als einzige Technologie bei Raumtemperatur Quantenzustände produzieren. Bei allen anderen Technologien gelingt dies nur bei extrem tiefen, alltagsfernen Temperaturen“, erklärt Halbritter. Zudem haben ionenfallenbasierte Ansätze die bisher geringsten Fehlerraten, sind skalier- und miniaturisierbar. Wesentliche Eigenschaften, die erstmals eine Perspektive für alltagstaugliche Anwendungen eröffnen.

 

Entscheidend für fehlerfreie Rechenvorgänge ist die exakte Kontrolle der Quantenzustände. „Dafür brauchen wir präzise, kompakte Laser, mit denen wir sehr genau auf Ionen zielen können. Laserdioden, Optik und Strahlführung müssen auf kleinsten Raum vereint werden, um die Ionen punktgenau zu treffen“, beschreibt Halbritter die Herausforderung für sein Team. Das ist etwa so, als wolle man mit einem Laserpointer über hunderte von Metern ein einzelnes Haar treffen. Dafür braucht es eine extrem präzise Wellenlänge und eine sehr ruhige Hand.

 

Dass die Grundidee eines ionenfallenbasierten Quantencomputers funktioniert, weiß man heute, doch noch sind viele technologische Fragen offen. Weder die gezielte Stabilisierung und Steuerung der Laserwellenlänge noch die Parallelisierung der einzelnen Laser auf minimalem Raum sind heute in einer Qualität verfügbar, um sie für Ionenfallen zu nutzen.  



Miniaturisierte Technik für maximalen Nutzen

Aktuell wärmen sich die Athleten für den Marathon zum Quantencomputer also gerade erst auf. Welche Technologie gewinnt, ist noch offen. Doch steht bereits jetzt fest, dass es entlang des Weges viel zu lernen und zu gewinnen gibt. In puncto Miniaturisierung führt OSRAM Opto Semiconductors dafür langjährige Forschungsarbeit fort – denn nicht nur im Quantencomputer ist der Platz knapp. Die photonischen Komponenten, die man für einen Quantencomputer benötigt, sind zwar sehr spezialisiert, aber auch für andere Applikationen nutzbar. „Auf dem Weg zum Quanten­computer treiben wir Technologieentwicklungen voran, die wir für andere Anwendungen einsetzen können. Sensorik, LED, Optik müssen miniaturisiert auf kleinstem Raum vereint werden. Das wird auch für Märkte, die bereits heute oder in naher Zukunft bedeutsam sein werden, wie Augmented Reality, Display-Technologien oder Umwelt­sensorik, dringend erwartet“, beschreibt Halbritter die Synergieeffekte.

 

Wann der Quantencomputer Realität sein wird: In fünf, zehn oder 15 Jahren – hier legen sich die Experten nicht fest. Aktuell wird an der Grenze des Machbaren geforscht. „Wir legen aktuell die Grundlagen für die Zukunft fest. Wir haben die Möglichkeit, diese jetzt mitzugestalten und die Vorteile optischer Technologien im Rennen zu nutzen“, sagt Halbritter. 

 

Denn historisch gesehen steht die Optoelektronik erst da, wo die Elektronik Ende der 1950er-Jahre stand, bevor es den ersten integrierten Schaltkreis gab. So gibt es LED, Laser oder Photodioden bisher als einzelne Komponenten – nicht jedoch vereint als „photonic integrated circuit“ (PIC), als photonischer integrierter Schaltkreis. Diese nächste Innovationsstufe würde bereits eine rasante technologische Entwicklung in Gang setzen und vor allem deutlich energieeffizienteres Cloud Computing ermöglichen – noch vor dem Quantencomputer.

 

Für die Wegstrecke hat allerdings weniger der Quantenphysiker Einstein als vielmehr der Dichter Saadi den treffenden Rat: „Hab Geduld, alle Dinge sind schwierig, bevor sie leicht werden.“