Von der Italo-Disco zum Mega-Event. Die Geschichte von Clay Paky ist eine bewegte Reise durch fünf Jahrzehnte Entertainment-Beleuchtung.

„Heute lächelst du, wenn du den ‚LX3‘ siehst. Er wirkt nicht so außergewöhnlich.“ Pio Nahum, Geschäftsführer des Spezialisten für Entertainment-Beleuchtung Clay Paky, steht im firmeneigenen Museum ‚MoMS“‘ in Bergamo. Neben ihm der erste Scheinwerfer der Firma. Um dessen revolutionäres Konzept zu verstehen, muss man in die 70er-Jahre zurückgehen.

„Damals gab es noch Ballsäle mit einer Live-Band. Die Beleuchtung bestand aus ein paar blinkenden Birnen.“ Der junge Pasquale Quadri oder Paky, wie der legendäre Firmengründer genannt wurde, hatte eine bahnbrechende Idee: Vor einen Projektor setzte er ein rotierendes Rad mit Öl und Farben. Das Ergebnis war ein psychodelischer Kaleidoskop-Effekt. Etwas noch nie Dagewesenes. „Eine Pionierarbeit in einer psychodelischen Zeit“, sagt Pakys Nachfolger Nahum. „Die Clubbesitzer waren begeistert.“ Die Geburtsstunde der Firma Clay Paky.



Disco und Dolce Vita

Dass die Idee gerade in Italien geboren wurde, war kein Zufall. „Es war die Zeit des Dolce Vita. Das Nachtleben florierte.“ Discomusik löste Livemusik ab. Clubs schossen förmlich aus dem Boden. Und die Italo-Disco wurde zum Inbegriff der Discokultur: Großraumclubs mit riesigen Tanzflächen für bis zu 12.000 Menschen. Die Kleinstadt Castel Goffredo in der Region Mantua entwickelte sich zur Welthauptstadt des Discolichts. Nur wenig entfernt tüftelte Paky an weiteren Produkten. „Paky war ein hervorragender Ingenieur. Einen Riesenerfolg landete er mit dem ‚Astroraggi‘.“ Für die rotierende Diskokugel mit ihrer Vielzahl von Strahlen verwendete er anstelle Dutzender kleiner Lampen  ein Set aus Linsen und nur eine Lampe, um denselben Effekt zu erzielen. Seine Innovationen stellte Clay Paky auf der wichtigsten Messe der Branche zu dieser Zeit vor: in Rimini. Menschen aus aller Welt strömten in den Badeort an der Adria. „Die Messe startete morgens um neun und endete tief in der Nacht mit Partys in den Hunderten von Discos. Eine fantastische Zeit!“, schwelgt Nahum.

Von Bergamo auf die Bühnen der Welt

30 Hersteller von Discobeleuchtung produzierten zu jener Zeit in Italien. Überlebt hat keine Handvoll. Darunter Clay Paky. Weil die Firma Anfang der 90er-Jahre die Zeichen der Zeit erkannte. Die Großraumdiscos wichen kleineren Clubs. Leistungsstarke Beleuchtung war nicht mehr gefragt. Paky setzte rechtzeitig auf einen neuen Trend: Band-Tourneen. Die Brücke bildete der „Golden Scan“ – der erste Scheinwerfer, der sich programmieren und über einen Controller steuern ließ. Für Discos gedacht, erfreute er sich bald großer Beliebtheit bei Bands. Und Clay Paky entwickelte sich zum Spezialisten für Showbeleuchtung, dessen Produkte selbst bei den größten Events wie Olympia oder dem Eurovison Song Contest (ESC) zum Einsatz kommen.

Mit der Professionalisierung der Branche wurde Bühnenlicht immer mehr zum festen Bestandteil der Shows. Zum Unterscheidungsmerkmal. Gleichzeitig stiegen die Erwartungen an die Produkte: Immer neue Effekte waren gefragt. „Der ESC etwa fordert die Kreativität der Lichtdesigner enorm. 40 Künstler, die alle unterschiedliche Shows haben wollen.“ Dafür brauchen sie vielseitige wie innovative Produkte. „Dass viele auf uns vertrauen, liegt nicht zuletzt an unserer Innovationskraft“, so Nahum.

Die Grenzen des Machbaren

Und so sind es auch Produkteinführungen, die Nahum als denkwürdigste Ereignisse aus drei Jahrzehnten im Geschäft erinnert. Wie der Moment, als der „Sharpy“ auf der Messe „Plaza“ der Jury für das beste Produkt vorgestellt wurde. „Ein Moving Head mit nur 200 Watt. Aber einem extrem starken Lichtstrahl, der durch ein ganzes Stadion reicht. Was mich so stolz machte, war die Reaktion der Experten: Was sie sahen, erschien ihnen schlicht unglaublich.“

„An der Grenze des Machbaren immer wieder mit Innovationen überraschen“, beschreibt Nahums designierter Nachfolger Marcus Graser denn auch den firmeneigenen Anspruch. Graser kommt vom Lichtspezialisten OSRAM, der die italienische Firma 2014 übernahm. Für ihn löst der jüngst vorgestellte erste laserbasierte Scheinwerfer „Xtylos“ diesen Anspruch ein. „Gemeinsam mit OSRAM entwickelt, wird er in Sachen Präzision, Farbintensität und Leuchtstärke in den nächsten Jahren prägend sein.“

Prägende Trends sind auch die Digitalisierung und Automatisierung der Branche. Wurden Scheinwerfer früher noch manuell bedient – bei Tourneen klassischerweise von den Lkw-Fahrern – braucht es heute erfahrenes Personal, um Hunderte Lichtquellen digital zu steuern. Auch „Follow-Spots“, welche Personen auf der Bühne automatisch verfolgen, gehören zu diesem Trend. „Der Entertainmentbereich ist vergleichsweise spät dran mit der Digitalisierung. Es ist eine sehr mittelständisch geprägte, fragmentierte Branche“, so Graser. „Genau darin sehen wir unsere Chance: Als Teil von OSRAM haben wir die Möglichkeiten, hier eine übergreifende technische Plattform zu bieten.“

Live is life

Bei aller Digitalisierung: Das analoge Live-Erlebnis bleibt zentral. Die Bedeutung von Live-Events wird künftig noch zunehmen. „Seit der Digitalisierung des Tonträgers sind gerade für die Musikbranche Liveshows wichtiger denn je. Denn damit verdient sie ihr Geld. Dieser Trend hilft uns“, so Graser.

Und wie wird sie aussehen, die Show der Zukunft? „Es wird neue Arten von Events geben“, meint Graser. „Vor zehn Jahren hätte niemand gedacht, dass Computerspieler ganze Hallen füllen.“ Solche hybriden Events aus analogem und digitalem Erlebnis würden in Zukunft zunehmen. Und es werde neue Einsatzorte jenseits der Konzertbühnen geben. Ob Produktpräsentation oder Kreuzfahrtschiff –  schon heute werden hier Millionenbeträge für professionelle Entertainment-Beleuchtung ausgegeben.


Eine Frage der Leidenschaft

„Diese Industrie wird weiter blühen“, ist sich der scheidende Geschäftsführer daher sicher. Und sein Resümee nach drei Jahrzehnten im Showbusiness ist gleichsam ein Rat an seinen Nachfolger: „In diesem Geschäft hast du ohne Leidenschaft keinen Erfolg. Es ist ein ‚Passion Business‘. Du kannst es nicht über Jahre planen. Du entdeckst es jeden Tag neu.“