Vom Sportbegleiter zum Lebensretter – wie Licht künftig über unsere Vitalwerte wacht.

„Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel in der Medizin: Optik schlägt Elektrik“, sagt Dr. Christoph Göltner. Der Marketingingenieur für optische Sensoren bei OSRAM Opto Semiconductors in Kalifornien ist überzeugt: „Wo heute noch überwiegend elektrische Lösungen über unsere Gesundheit wachen, wird dies in Zukunft Licht tun.“

Schon seit geraumer Zeit überwachen optische Lösungen in Fitnessarmbändern und Smartwatches unsere Vitalwerte. Das Prinzip: Leuchtdioden durchleuchten Haut und Gewebe bis auf die Blutgefäße. Das im Blut enthaltene Hämoglobin absorbiert das Licht. Anhand des Absorptionsgrads kann ein zugehöriger Sensor Rückschlüsse auf die Pulsfrequenz oder die Sauerstoffsättigung ziehen. Für den Puls wird hierbei meist grünes Licht verwendet, da es vom roten Blut am besten absorbiert wird. An Stellen, an denen der Puls besonders gut gemessen werden kann – wie dem Ohr –, oder auch zur Messung der Sauerstoffsättigung kommt infrarotes Licht zum Einsatz

 


Von Lifestyle zum Lebensretter

Wie wichtig der medizinische Einsatz allein für die Kreislaufüberwachung wäre, zeigt die Statistik: Mit rund 40 Prozent sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen in westlichen Industrienationen die häufigste Todesursache. Viele davon könnten verhindert werden, wenn eine durchgängige Kontrolle der Vitalwerte bei Risikopatienten durchgeführt würde. Doch die gängige Methode zur Überwachung, das Elektrokardiogramm (EKG), ist wenig alltagstauglich. Kompakte mobile Geräte mit optischen Sensoren hingegen könnten die Vitaldaten kontinuierlich erfassen und rechtzeitig Alarm schlagen. „Mit optischen Lösungen ist eine hohe Messgenauigkeit erreichbar“, sagt Göltner, „Sie ermöglichen nichtinvasive Messungen über längere Zeiträume und sind deutlich komfortabler als auf der Haut angebrachte Elektroden.“

 

Technologiesprung

Möglich macht all das die rasante technische Weiterentwicklung der Leuchtdiode (LED). Dank der Dünnfilm-Chiptechnologie sind in den letzten Jahren hocheffiziente LED mit einem engen Lichtspektrum auf den Markt gekommen. So hat OSRAM bei der BIOFY-Produktfamilie für Biomonitoring-Anwendungen vor zwei Jahren eine Effizienzsteigerung um 40 Prozent im grünen Spektralbereich erzielt – ein Wert, der zuvor als unerreichbar galt.  In Kombination mit der Miniaturisierung der Bauteile und den Fortschritten bei der Temperaturstabilität ermöglichte dies vollkommen neuartige Systemdesigns.

Doch die Messlatte für verlässliche Präzision liegt bei medizinischen Anwendungen besonders hoch. Neben der Fertigungspräzision suchen Techniker daher neue Wege: So lassen sie das Licht etwa verschiedene Pfade nehmen, um das beste Signal zu nutzen. Auch kommen vermehrt sogenannte Oberflächenemitter (VCSEL) zum Einsatz – Laserdioden, bei welchen das Licht vertikal aus der Oberfläche abstrahlt. „Sie sind nicht nur energieffizienter, durch ihr besseres Abstrahlverhalten und die engere Wellenlängenverteilung sind sie noch präziser“, erklärt Göltner.

 

Herz und Kreislauf: flimmerfreie Lösung

Die verbesserten optischen Lösungen könnten so künftig Patienten mit Herzrhythmusstörungen vor dem lebensbedrohlichen Vorhofflimmern warnen. Ein kalifornisches Startup etwa entwickelt auf Basis des BIOFY-Sensors gerade ein Armbandprodukt zur permanenten Pulsüberwachung. Ziel ist es, unregelmäßige Herzrhythmen frühzeitig zu erkennen und so Vorhofflimmern oder gar einen Herzinfarkt zu vermeiden.


Sauerstoffsättigung: beruhigt einschlafen

Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Überwachung der Sauerstoffsättigung im Blut. Hierzu bedarf es zweier Lichtquellen: sichtbaren roten und infraroten Lichts. Beide werden von den roten Blutkörperchen unterschiedlich absorbiert. Aus dieser Differenz lässt sich die Sauerstoffsättigung ermitteln – ein Prinzip, das im klinischen Alltag schon seit Jahren Anwendung findet.

„Dies kann bei der weit verbreiteten Schlafapnoe lebenswichtig sein“, weiß Göltner. „Bei Patienten, die darunter leiden, setzt die Atmung im Schlaf aus, was wichtige Vitalfunktionen beeinträchtigen und zu einer Sauerstoffunterversorgung des Gehirns führen kann. Auch hier gibt es bereits erste zertifizierte medizinische Produkte, welche die Sauerstoffsättigung während der Nacht überwachen und die schlafende Person bei einem absinkenden Sauerstoffanteil im Blut warnen.“

 

Blutzucker: schmerzfrei messen

Intensiv geforscht wird auch auf dem Feld der nichtinvasiven Blutzuckermessung. Müssen sich Diabetespatienten dafür bislang stechen oder ein Implantat tragen, verspricht die Kombination von Infrarotspektroskopie und photothermischer Detektion zukünftig eine kontinuierliche und schmerzfreie Bestimmung des Blutzuckerwertes. Ein Armband, das bei zu hohen oder zu niedrigen Werten warnt, würde das Leben von weltweit mehr als 400 Millionen Diabetespatienten spürbar erleichtern.

Den Gedanken auf der Spur

Eine futuristisch klingende Anwendung der optischen Sensoren ist die Gedankensteuerung. „Ich habe es selbst getestet und war überrascht, wie gut das bereits funktioniert. Ich konnte allein durch Konzentration einen Ball von rechts nach links bewegen“, zeigt sich Göltner begeistert. Bislang wurden dafür die Hirnströme mithilfe elektrischer Kontakte an einem am Kopf angebrachten Band gemessen (EEG). Exakter und robuster geht es mit optischen Messverfahren.

„Das ist keineswegs Spielerei“, so Göltner. „Hunderte von Wissenschaftlern und Ingenieuren arbeiten bereits daran, Sensoren für die Gedankenmessung zu entwickeln. Das Hauptanwendungsfeld wird in der Mensch-Maschine-Interaktion liegen, doch könnten sich künftig auch etwa Nerven von Querschnittsgelähmten auf diese Weise stimulieren lassen.“

Auch wenn manches noch Zukunftsmusik ist – die Praxistauglichkeit optischer Technologien ist nachgewiesen. Von daher ist sich Göltner sicher: „Der Siegeszug der Optik in der Medizin hat gerade erst begonnen.“  

Das Photonstudio - Der OSRAM Podcast
Episode 6 - Schneller, höher, stärker: