Die Distanz zwischen Mensch und Maschine schwindet. Physische und digitale Welt verschmelzen. Wie werden wir in Zukunft mit immer intelligenteren Maschinen interagieren? Wird es überhaupt noch eine wahrnehmbare Mensch-Maschine-Schnittstelle geben?
Andreas Butz dreht eine strandballgroße, durchsichtige Plexiglaskugel. Ein Sensor in der Mitte erfasst die Bewegung mittels Laserstrahlen. Diese überträgt sich eins zu eins in die virtuelle Realität seiner VR-Brille – dort als Weltkugel sichtbar. Was ein wenig an Science-Fiction-Filme der 70er Jahre erinnert, ist hochaktuell: Am Institut für Informatik in München wird nicht weniger erforscht als die Zukunft der Interaktion zwischen Mensch und Maschine.
Butz nimmt die VR-Brille ab und lehnt sich in seinem Stuhl zurück: „Die Technologie muss in den Hintergrund treten und der Anwendung Raum lassen. Es geht darum, die Reibungspunkte zwischen Mensch und Maschine zu verringern, wie in dieser Versuchsanordnung. Die rasant wachsende Rechenleistung und Künstliche Intelligenz (KI) eröffnen uns dabei viele neue Möglichkeiten – doch fehlt ein übergeordnetes Bedienkonzept“.
Die Technik muss unsichtbar werden
Professor Andreas Butz leitet den Lehrstuhl für Mensch-Maschine-Interaktion am Institut für Informatik der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er ist außerdem Sprecher des wissenschaftlichen Beirats am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.
Seit langem ist er davon überzeugt, dass sich die Computertechnik deutlich mehr zurücknehmen muss. Künftige Interfaces sollen den Menschen viel selbstverständlicher dort abholen, wo er steht – in seiner alltäglichen Welt, mit allen Sinnen. Deshalb ist in der aktuellen Versuchsanordnung die Verbindung in das digitale Universum eine ganz reale zum Anfassen.
Annäherung an natürliche Kommunikationsformen
Butz ist sich sicher: Zukünftige Konzepte werden Gesten- und Sprachsteuerung mit weiteren Formen der Interaktion vereinen – vor allem mit Haptik, also dem direkten Anfassen. „Der Tastsinn ist im Hinblick auf die Mensch-Maschine-Interaktion derzeit noch unterbewertet. Er taucht nur in Form von Vibration im Interface auf. Doch Haptik ist ein wesentlicher Teil unserer physischen Welt. Die Reduktion auf den visuellen Sinn ist eine unnötige Einschränkung.“
So beschäftigen sich die Wissenschaftler der LMU aktuell damit, die Haptik in die Virtual Reality zu integrieren. Über eine durch Laser erfasste Multitouchoberfläche verbinden sie beispielhaft eine reale und eine virtuelle Kugel. Der Benutzer kann die virtuelle Realität mit der physisch realen Kugel steuern, also parallel anfassen – und damit effizienter interagieren. „Es ist eine Annäherung an unsere natürliche Interaktionsform. Wenn Sie einen neuen Gegenstand in Händen halten, begreifen Sie ihn im wahrsten Sinne des Wortes schneller“, beschreibt Butz‘ Mitarbeiter David Englmeier die Versuchsanordnung und erklärt: „In Zukunft könnten beliebige abstrakte Objekte elektromagnetisch oder mittels Ultraschall simuliert werden. Sie sind nicht real wie diese Kugel, doch trotzdem spürbar, und können beispielsweise Gestensteuerung ergänzen.“
Reine Gestensteuerung mittels Lichtsensoren ist für Butz hingegen „gut umsetzbar, wo es um sporadische Interaktionen in einem definierten Raum geht, wie zum Beispiel im Auto“. Eine große Einschränkung hat die Gestensteuerung laut Butz jedoch: das Thema Feedback. „Wir benötigen Signale für ‚Ich höre Dir zu‘, ‚Ich habe Dich verstanden‘ oder ‚Ich habe Dich erkannt‘. In unserer gegenständlichen Welt bekommen wir dieses Feedback überall, doch für die Gestensteuerung ist das noch ungelöst.“ Haptische Steuerung löst das über aktives Feedback wie Vibration, Berührung oder Druck.
Doch muss es zukünftig überhaupt noch ein „sinnliches“ Interface geben? Könnten wir Maschinen nicht direkt über Gedanken steuern? Dies verweist Butz noch in die fernere Zukunft: „Forschungsansätze zur Erfassung von Gehirnaktivitäten sind faszinierend, doch Stand heute noch nicht alltagstauglich. Viel mehr als eine ungefähre Rechts-links-Steuerung und das Anwählen erster Buchstaben ist damit noch nicht möglich.“
Neubestimmung der Mensch-Maschine Beziehung
Doch die künstlichen Systeme werden zunehmend intelligenter und durch Sensorik ergänzt. „Erstmals ist die Rechnerleistung, sind die technologischen Voraussetzungen vorhanden, Künstliche Intelligenz im Alltag einzusetzen“, so Butz.
Sie wird künftig den größten Einfluss auf unsere Lebenswelt nehmen. Auf neuronalen Netzen basierende Anwendungen seien bereits heute alltagstauglich, ob es um Suchalgorithmen, Autonomes Fahren oder Bildererkennung geht. „Die Künstliche Intelligenz versucht, neuronale Netze nachzubilden, und übertrifft dabei in einigen Bereichen bereits den Menschen. Denken Sie an Bilderkennung. Hier liegt die Treffgenauigkeit teilweise bereits über der des Menschen“, erläutert Butz. Und von wegen Maschinen geben nur Antworten – das war gestern. Butz ist sich sicher, dass die Interaktion in Richtung Partnerschaft gehen wird: „Mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Roboter als nächste Stufe des Mensch-Maschine-Interface werden in Zukunft nicht mehr nur Hilfsarbeiter sein. Sie erlernen qualifizierte Tätigkeiten.“
Auf Augenhöhe?
Teamplay mit Robotern wirft die Frage nach Vertrauen auf und danach, wer in Zukunft der Chef sein wird. „Künstliche Intelligenz darf keine Black Box sein. Ein kalibriertes, nicht blindes Vertrauen ist angebracht. Und ein Bewusstsein dafür, dass ein Roboter noch lange nicht intelligent ist, nur weil er ein paar intelligente Dinge tut oder sagt“, so Butz.
Der Professor räumt ein, dass er die Bedeutung von emotionaler Intelligenz in der Robotik anfangs unterschätzt hat. „Ich habe das früher für unmöglich gehalten. Seit ich jedoch eng mit Psychologen zusammenarbeite, verstehe ich, dass Künstliche Intelligenz die Welt nicht bis ins letzte Detail verstehen muss. Für viele Anwendungsbereiche reicht es, eine gewisse Tiefe zu simulieren. Damit kann Robotik bereits in vielen Bereichen eingesetzt werden, für die eine oberflächliche Empathie genügt.“
Information, die Gestalt annimmt
Werden wir Menschen also in Zukunft mit Maschinen fast so natürlich und selbstverständlich interagieren wie mit Menschen? „Ja“, meint Professor Butz, „und dies umso selbstverständlicher, je mehr sie uns in der realen Welt abholen, mit all unsren Sinnen und sozialen Gewohnheiten.“ Also keine reduzierte Kette aus null und eins, sondern Information, die Gestalt annimmt – die „menschliche“ Maschine.